Ein Spaziergang am Alten Hafen in Wismar lässt die Geschichte auf ganz persönliche Weise spürbar werden. Schon lange vor der eigentlichen Stadtgründung wurde dieser geschützte Meeresarm als natürlicher Hafen genutzt, sein Beckenkontur und Lage sind seit dem Mittelalter nahezu unverändert. Aus diesem Grund kann man sagen: Wismar entstand am Wasser, und der Hafen ist ihr Ursprung.
Das Hafenbecken ist noch heute erkennbar – ein emotionales Bindeglied zwischen Stadt und Bucht, zwischen Geschichte und Gegenwart. Einst war hier der Umschlagplatz für Getreide, Handel und Wachstum. Riesige Speicherbauten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert lassen das industrielle Erbe lebendig werden. Etwa die Speicher der Firmen Thormann, Löwe, Kruse und Ohlerich stehen dicht nebeneinander wie monumentale Zeugen eines Wirtschaftszentrums, das lange Zeit pulsierte. Die Backsteinfassaden erzählen von Eleganz – robust, aber kunstvoll – und harmonieren überraschend gut mit der mittelalterlichen Altstadt dahinter.
Ein unverzichtbares Element ist das sogenannte „Baumhaus“, ein barockes Häuschen aus dem 18. Jahrhundert, das früher als Kontrollpunkt diente. In Gefahrensituationen wurde eine Kette spannt, um den Hafen bei drohenden Angriffen zu verschließen. Heute nutzt man das Gebäude für wechselnde Ausstellungen. Vor dem Eingang stehen zwei Schwedenköpfe – bunte Nachbildungen der ursprünglichen Herkulesbüsten, die früher an den Hafeneingang mahnten: eine symbolische Einladung und gleichzeitig ein Schutzzeichen in einem.
Der Hafen lebt in der Gegenwart und Vergangenheit zugleich, weil hier so viel Geschichte aufeinanderprallt. Tradition und Tourismus verbinden sich hier: Fischer verkaufen frischen Fang direkt vom Kutter, während auf der anderen Seite Segelboote, Yachten oder auch die Poeler Kogge liegen – Und wer mag, kann bei einer Hafenrundfahrt die frische Meeresbriese schnuppern und hinaus aufs Wasser gleiten, wo die Wismarbucht und die Ostsee den Horizont weit öffnen.
Mehrfach im Jahr verwandelt sich der Hafen in eine Festlandschaft – beim Hafen- oder Schwedenfest. Marktstände, Musik, der Duft von frischen Fischbrötchen und der Ostesse-Meeresluft: Ein Meer von maritimer Lebensfreude, traditionell und voller Gemeinschaft.
Zwischen Speicheranlagen, Kogge und Rathausbibliothek entsteht hier ein Bild der Stadt, wie sie war, ist und sein kann: ein Ort, an dem Zeit, Wandel und Erinnerung in sanftem Einklang schwingen.
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wismar_Altstadt_09.jpg